Ein Gastbeitrag zu einem Artikel über die unzweckmäßige und ungelenkte Evolution und das Spannungsverhältnis zwischen wissenschaftlichem Befund und dem Gottesbild im Islam.
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Ein paar Anmerkungen zu dem hier (http://hpd.de/artikel/allah-und-darwin-13865) abrufbaren Artikel von Özbe über das Spannungsverhältnis „Allāh und Darwin“. Er bezieht sich dabei auf eine Arbeit von Turgut Demirci mit dem Titel „Die Vereinbarkeit der wissenschaftlichen Evolutionstheorie mit dem Islam“ die ich selbst nicht gelesen habe. Özbe will letztlich darauf hinaus, dass der Umstand, die Evolution sei nicht zielgerichtet (die Evolution selbst sei jetzt mal im Sinne der Diskussion einfach angenommen, dazu weiter unten etwas), gegen ein „theistisches“ bzw. „abrahamitisches“ Gottesbild spräche. Nach allem, was ich Özbes Artikel und Kommentaren und den Zitaten Demircis entnehmen kann, ist mit diesem Gottesbild das „personale“ bzw. „persönliche“ Gottesbild gemeint, welches scheinbar gleichgestellt wird mit dem Dasein Gottes als „fāʿil muḫtār“ im Sinne des des sunnītischen / šiʿītischen / muʿtazilītischen kalām, was wiederum vermengt wird mit der Frage, ob Gott nach Plänen bzw. Zielen oder sinnhaft handelt, wozu ich weiter unten etwas sagen möchte. Abgesehen davon, dass das Gottesbild, das Özbe hier in Frage stellt, nicht ausreichend definiert wurde – was ein großer Mangel des Artikels ist – laufen die Argumente – egal, ob damit das Dasein Gottes als fāʿil muḫtār oder Sein sinnhaftes Handeln gemeint ist – wie sich zeigen wird völlig ins Leere, was bei den meisten religionskritischen Ansätzen in diesem Bereich der Fall ist.
Zunächst gilt zu klären, was die scholastische Tradition der Muslime meint, wenn sie von Gott als fāʿil muḫtār spricht? Ganz einfach: Dass Gott bewirkt und spezifiziert bzw. determiniert. In anderen Worten: Er bewirkt bestimmte Denkmöglichkeiten unter Ausschluss anderer Denkmöglichkeiten.
Dem gegenüber steht ein Gottesbild, nach dem Gott nicht bewirkt (fāʿil), sondern erfordert (muqtaḍin, mustalzim). Ein Beispiel um diese Lehre zu verdeutlichen: Ebenso wie die Sonne nicht deshalb strahlt, weil sie ihre Strahlen in dem Sinne bewirkt, dass sie sie auch hätte nicht bewirken können, ist auch die Schöpfung Gottes nichts, was Er bewirkte, wobei Er sie auch hätte nicht bewirken können, sondern Sein Dasein erforderte die Schöpfung, wie auch die Sonne die Strahlen erfordert. Oder: Wenn Gott ist, ist notwendigerweise auch die Schöpfung. Dieses Gottesbild wurde in unterschiedlichen Varianten unter anderem von Ibn Rušd und Ibn Taimīya vertreten, jedoch nicht von den Vertretern des sunnitischen, šiʿītischen oder des muʿtazilītischen kalām.
Das heißt, das Dasein Gottes als fāʿil muḫtār drückt letztlich aus, dass die Wirkungen Gottes (afʿāl Allāh, bzw. in diesem Fall die gängigere Übersetzung „Handlungen Gottes“) kontingent, d.h. möglich, und an sich (!) nicht notwendig sind. Die Notwendigkeit der Schöpfung an sich, was bei den Gelehrten des kalām ihr Dasein als etwas Bewirktes ausschließt, wird durch den Begriff fāʿil ausgeschlossen, d.h. das göttliche Wesen hat die Schöpfung bewirkt, nicht erfordert. Die Notwendigkeit der Spezifika der Schöpfung wird durch den Begriff muḫtār ausgeschlossen, d.h. Gott hat die Schöpfung anhand einiger Denkmöglichkeiten unter Ausschluss anderer spezifiziert. Das heißt, die Schöpfung ist weder hinsichtlich ihrer Existenz notwendig – wie dies bei Ibn Taimīya der Fall ist –, noch hinsichtlich ihrer Spezifika, wie dies bei Ibn Rušd und Co. der Fall ist. Anders ausgedrückt: Gott hätte auch nicht erschaffen können – im Gegensatz zu dem, was Ibn Taimīya lehrt – und Gott hätte die Schöpfung auch – im Gegensatz zu dem, was Ibn Rušd lehrt – anders gestalten können, indem beispielsweise die beobachtbaren Drehbewegungen sämtlicher Planeten genau umgekehrt wären, oder die Geschwindigkeit sämtlicher Bewegungen im Universum jeweils 10% geringer wäre, etc.
Ob dieses Konzept von Gottes Dasein als fāʿil muḫtār mit dem verwendeten Begriff des „persönlichen“ bzw. „personalen“ Gottes glücklich wiedergegeben ist, ist hierbei eine terminologische und keine inhaltliche Frage.
Doch der wichtige Punkt: Wer auch immer dieses Konzept von Gottes Dasein als fāʿil muḫtār verstanden hat, wird sofort bemerken, dass die Frage, ob die Lebewesen durch einen verhältnismäßig unmittelbaren Schöpfungsakt entstanden sind, indem Gott sie aus Erde erschuf, oder durch einen verhältnismäßig mittelbaren Schöpfungsakt, wie anhand der Evolution, dieses Konzept in keiner Weise berührt. Alles, was das Konzept von Gottes Dasein als fāʿil muḫtār erfordert, ist der Umstand, dass die Schöpfung und ihre Spezifika kontingent sind.
Wenn dies gegeben ist – wovon die muslimischen kalām-Gelehrten aller Schulen aus gutem Grund ausgehen – ist auch das Dasein Gottes als fāʿil muḫtār gegeben. Somit laufen sämtliche Diskussionen im Artikel, sofern sie denn das Konzept Gottes als fāʿil muḫtār kritisieren, ins Leere. Denn der verständige Leser wird sehen, dass es dort nicht um die Frage der Kontingenz der Schöpfung und ihrer Spezifika geht, sondern um die „Intentionen“ bzw. „Weisheiten“ oder die „Sinnhaftigkeit“, hinsichtlich derer Gott bestimmte Dinge erschafft, was eine völlig andere Fragestellung ist und bei den Gelehrten des kalām unter dem Titel taʿlīl afʿāl Allāh behandelt wird; wozu es sowohl zwischen den verschiedenen Schulen des kalām, als auch innerhalb der ašʿarītischen Schule unterschiedliche Meinungen gibt.
Der Hauptverantwortliche für diese Vermengung ist jedoch möglicherweise nicht Özbe, sondern Demirci, der m. E. in der folgenden Aussage genau diese zwei Fragen miteinander vermengt:
„In dieser abrahamitischen Tradition ist Gott nicht ein willenloses Wesen, eine Art Energie oder einfach nur die Gesamtheit der Seienden ohne eigenes Bewusstsein. Er ist vielmehr der personale Gott mit eigenem Willen (fa’il muhtar), der das Universum nach einem Plan erschaffen hat. Im Unterschied zum deistischen Gott, der die Schöpfung in einem Urakt vollzogen, sich dann aber ‚zurückgezogen‘ hat und in das Weltgeschehen nicht eingreift, herrscht und wacht der abrahimitische Gott über die Welt. Darüber hinaus hat das Menschengeschlecht in diesem göttlichen Plan eine besondere Rolle.“
Özbe jedoch bemerkt diese Vermengung scheinbar nicht und lässt sich deshalb auf die fruchtlose Diskussion ein.
Doch selbst innerhalb dieser fruchtlosen Diskussion zielen Özbes Argumente ins Leere. Er will letztlich zeigen, dass die Annahme der Schöpfung des Menschen durch Gott anhand einer nicht zielgerichteten bzw. in dieser Hinsicht ineffizienten Evolution „keinen Sinn“ ergibt, oder in anderen Worten „nicht weise“ ist, oder in anderen Worten „nicht nahelegt, dass hier ein ziel- bzw. zweckorientiertes Handeln [Gottes]“ vorliegt, was gegen das abrahamitische Gottesbild spräche.
Zwar haben die meisten kalām-Gelehrten der verschiedenen Schulen durchaus auf partikulare Weisheiten bzw. partikulare Sinnhaftigkeit (ḥikam ǧuzʾīya) innerhalb der Schöpfung verwiesen, dennoch waren sie sich – allen voran die ašʿarītischen Gelehrten – durchaus bewusst, dass sämtliche Ereignisse – wie auch ihre exakten Gegenteile! – je nach Perspektive als weise bzw. sinnvoll interpretiert werden können (kullu mā taqtaḍīhi l-ḥikmatu min waǧh, fa-taqtaḍī naqīḍahū min waǧh āḫar), das heißt, alles was in einer Hinsicht weise oder sinnvoll ist, ist in einer anderen Hinsicht unweise; womit Weisheit und Sinnhaftigkeit relative Begriffe sind. Sie können nur in einem vorgegebenen Rahmen, der diese vollständige Relativität eingrenzt, sinnvoll sein, d.h. nur in Bezug zu etwas anderem, was nun kurz erläutert werden soll.
Man betrachte das von Özbe angeführte Beispiel der ausgestorbenen Dinosaurier, was ein für sein Ziel sehr unglücklich gewähltes Beispiel ist:
„Unsere Spezies konnte nur deshalb entstehen, weil zuvor andere Arten, die die Erde bevölkerten, etwa durch globale Naturkatastrophen ausgestorben sind. Ist es wirklich naheliegend, dass eine übergeordnete Intelligenz von Anfang an genau diesen Weg geplant haben soll? Wo liegt der Sinn darin, durch geplante oder gelenkte Evolution zum Beispiel so viele Arten von Dinosauriern in Jahrmillionen entstehen zu lassen, nur damit sie auf einen Schlag aussterben, sodass dann Säugetiere – wieder in Jahrmillionen – die freigewordenen Nischen „übernehmen“ können?“
Özbe stellt hier die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens in Frage, was durchaus berechtigt ist, jedoch – und das ist der springende Punkt – nur in einem bestimmten Rahmen, nämlich im Rahmen der Annahme eines Gottes, der schnellstmöglich ein bestimmtes Wesen auf der Erde – z.B. den Menschen – erschaffen möchte, mit so wenigen Umwegen wie möglich. Jedoch nur in diesem Rahmen – d.h. unter der Annahme, dass Gott dieses schnellstmögliche Anpeilen der Schöpfung des Menschen zum Ziel hat – kann die vorherige Schöpfung und Auslöschung anderer Spezies als sinnlos bzw. unweise bezeichnet werden.
Gehen wir jedoch von einem Gott aus, der den Menschen erschaffen möchte und ihm darüber hinaus demonstrieren möchte, dass Er in der Lage ist, ihn ohne Mühen wieder auszulöschen, so ist das vorherige Erschaffen und Auslöschen einer anderen Spezies durchaus sinnvoll, da Gott damit demonstriert, dass Er hierzu durchaus fähig ist. Dieses Beispiel Özbes war deshalb besonders unglücklich gewählt, da der Koran an zahlreichen Stellen eben genau diesen Rahmen der Sinnhaftigkeit vorgibt: Gott demonstriert durch das Auslöschen vorheriger Völker und Spezies Seine Fähigkeit, dies auch mit anderen Völkern oder Spezies zu tun. Gar spricht die muslimische außerkoranische Tradition davon, dass die Welt vor den Menschen von anderen vernünftigen Wesen bewohnt wurde.
Genauso verhält es sich mit dem Hauptanliegen Özbes: Wenn Gott das Ziel hatte, den Menschen zu erschaffen, wäre es sinnlos, dies anhand einer so ineffizienten Evolution zu tun, anhand derer durch Mutationen zahlreiche Spezies oder Rassen (ich bin ebenso wie Özbe kein Biologe, entschuldige mich also im Voraus für die wahrscheinlich nicht präzise gewählten Begriffe) entstanden und danach wieder ausgestorben sind, deren Dasein somit „sinnlos“ war. Denn auch dies ist richtig, jedoch nur in einem bestimmten Rahmen, nämlich wenn man davon ausgeht, dass Gott den Menschen möglichst effizient und ohne Umwege anhand einer zusammenhängenden Entwicklung erschaffen wollte. Wenn man diesen Rahmen nicht zugrunde legt, kann die Evolution jedoch weder als sinnvoll oder weise, noch als sinnlos oder unweise bezeichnet werden.
Wir könnten auch einen anderen Rahmen zu Grunde legen, innerhalb dem diese ineffiziente Evolution wieder weise und sinnvoll erscheint: Wenn Gott demonstrieren wollte, dass der Mensch eine besondere Stellung im Universum einnimmt, indem Er ihn mit Eigenschaften entstehen lässt, durch die er sich – im Gegensatz zu den meisten anderen Ergebnissen der Evolution – in der Natur durchsetzen und überleben konnte. Somit würde jede Spezies oder Rasse, die Gott anhand der Evolution entstehen und alsdann wieder aussterben ließ, als Hinweis darauf fungieren, welch besondere Stellung bei Gott doch diejenigen Rassen oder Spezies einnehmen, die sich in der Natur durchsetzen könnten.
Ja – beide zugrunde gelegten Rahmen sind letztlich willkürlich und man könnte zig andere Rahmen anlegen, wodurch diese ineffiziente und nicht zielgerichtete Evolution in verschiedenen Graden sinnvoll oder sinnlos erscheint, aber eben das soll ja gezeigt werden. Denn: „Alles was in einer Hinsicht weise ist, ist in einer anderen Hinsicht unweise“, je nach dem, welcher Rahmen zu Grunde gelegt wird.
Das gilt auch für sämtliche weitere Beispiele Özbes. Somit ist jede Diskussion, die sich an Weisheiten und Sinnhaftigkeit aufhängt, letztlich fruchtlos, solange kein gemeinsamer Rahmen vorgegeben ist, und betrifft weder die Frage, ob Gott existiert, noch, ob Er fāʿil muḫtār ist, in irgendeiner Weise. Dessen waren sich die sunnitischen Schulen des kalām im Gegensatz zu Özbe – und möglicherweise auch im Gegensatz zu Demirci – im Großen und Ganzen bewusst.
Ganz zum Schluss sei noch kurz darauf hingewiesen, dass sich Özbe in der Einleitung zu seinem Artikel zu einer durchaus überzogenen und unvernünftigen Aussage hinreißen ließ:
„Nicht nur evangelikale Christen, sondern auch sehr viele Muslime – wahrscheinlich die Mehrheit – lehnen die biologische Evolutionstheorie ab. Eine solche Geisteshaltung mutet im 21. Jahrhundert in etwa wie die Behauptung an, die Erde sei eine Scheibe.“
Dass sich die Frage nach der Evolution grundlegend und kategorisch von der Frage der Form der Erde unterscheidet, sollte jedem klar sein. Schließlich lässt sich die Form der Erde für uns in diesem Moment anhand der Sinne erkennen. Eine angenommene Evolution, die zum Menschen führte, kann jedoch nicht mehr sinnlich erkannt, sondern lediglich rekonstruiert werden. Dieser Akt der Rekonstruktion jedoch ist interpretativ und abstrakt, nicht beobachtbar. Soll heißen: Selbst wenn die Faktenlage anhand von Funden verschiedener Fossilien und Skelette eine vollständige und lückenlose (wann ist diese lückenlos?) Kette im Sinne der Evolution des Menschen hergibt, ist die Evolution selbst nicht sinnlich erkennbar, sondern wird in diese lückenlose Kette hineininterpretiert. Das heißt, die Evolution des Menschen wird niemals sinnlich erkennbar sein, im Gegensatz zur Form der Welt, weswegen es sich hier um kategorisch unterschiedliche Fragen handelt, die auch mit dem von Özbe gewählten Zusatz „in etwa“ nicht verglichen werden können.
11. Dezember 2016 at 14:33
1. Der amerikanische Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann stellt in seinem Buch „Schnelles Denken – langsames Denken“ (2011) eine Reihe kognitiver Verzerrungen vor. Eine davon ist die Substitutionsheuristik. Wenn wir mit einer komplizierten Frage konfrontiert werden, dann ersetzen wir diese oft unbewusst durch eine einfachere, leicht beantwortbare Frage – und beantworten diese. Damit glauben wir, die ursprüngliche Frage adäquat beantwortet zu haben.
(Komplizierte Frage: „Hat Angela Merkel eine sinnvolle Politik für die nächsten vier Jahre“: Leicht beantwortbare Ersetzungsfrage: „Wirkt dieses Foto von Angela Merkel auf mich sympathisch und kompetent?“ Es wird unbewusst die zweite Frage beantwortet – und dann als Antwort für die erste gesetzt. „Ja.“)
Die Einwände Algazels entsprechen solchen Substitutionen. Die ursprüngliche Frage lautete: „Sind die naturwissenschaftlich gezeigte absichtslosen Evolutionsmechanismen mit der Annahme einer absichtsvollen göttlichen Lenkung vereinbar?“
Samuel Dogan von Algazel beantwortet stattdessen eine völlig andere Frage: „Hat Gott die Lebewesen durch einen mittelbaren oder unmittelbaren Schöpfungsakt erschaffen?“ Damit weicht er der Frage aus.
([…] wird sofort bemerken, dass die Frage, ob die Lebewesen durch einen verhältnismäßig unmittelbaren Schöpfungsakt entstanden sind, indem Gott sie aus Erde erschuf, oder durch einen verhältnismäßig mittelbaren Schöpfungsakt, wie anhand der Evolution“)
Die Diskrepanz besteht nicht zwischen zwei verschiedenen vorstellbaren Modi gelenkter Schöpfung – sondern in der Diskrepanz zwischen der Annahme einer gelenkten Evolution – während die Beobachtungsdaten eine ungelenkte Evolution bestätigen.
2. Die Evolution zeigt ein zielloses Umher-Mäandern der Biologie mit etlichen Massenextinktionen. Algazel hat hier nur Rabulistik entgegenzusetzen: „Aha! Aber wer sagt denn, dass Gott die gelenkte Evolution nicht absichtlich ungelenkt hat aussehen lassen!“ Klar. Wenn selbst die Beobachtung von Abichtslosigkeit als Zeichen für Absicht gedeutet werden kann – dann ist die eigene Gewissheit gegen jede neue Erkenntnis immunisiert.
Die dahinterstehende „Logik“
Die Beobachtung bestätigt gelenkte Evolution – dann ist die Evolution gelenkt.
Die Beobachtung bestätigt ungelenkte Evolution – dann ist die Evolution ebenfalls gelenkt.
Kopf: ich gewinne.
Zahl: Ich gewinne ebenfalls.
Das ist Tennis-Spielen ohne Netz. Egal, wo der Ball auf aufschlägt – der Theologe ruft „Punkt für mich!“
Hier liegt ein Missverstehen wissenschaftlicher Suche nach erklärenden Hypothesen vor. Die Annahme einer gelenkten Evolution ist eine realitätsbeschreibende These und damit sinnvoller Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung. Wissenschaftliche Hypothesenentscheidung wählt nach Plausibilität und Evidenzlage – nicht nach „theoretischer Vorstellbarkeit“. Jeder beliebige Unsinn ist vorstellbar. Vorstellbar ist, wie Bertrand Russel bemerkte, dass das Universum und alle Menschen erst vor fünf Minuten entstanden sind – komplett mit Erinnerungen, Löchern in den Socken und Haaren, die geschnitten werden müssen.
Algazel mag versuchen, eine ehrliche Antwort auf diese Frage zu finden: „Welche Beobachtung würden für gelenkte Evolution sprechen – und welche für ungelenkte?“ (Wobei ungelenkte Evolution im wissenschaftlichen Prozess der Hypothesenentscheidung als Nullhypothese als wahr vorausgesetzt werden muss.) Aber seine Antwort egibt sich bereits zwanglos aus seinem Text: „Keine.“ Nicht einmal eine tatsächlich gottfreie, ungelenkte Evolution würde ihn überzeugen, dass die Evolution ungelenkt ist. Der Theologe entscheidet realitätsbeschreibende Thesen einfach nach Konformität mit religiöser Dogmatik. Anders gesagt: Durch naives Wunschdenken. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Unnötig zu erwähnen, dass in keinem andere Diskursgebiet eine solche Strategie der intellektuellen Unehrlichkeit akzeptiert werden würde.
3. Am Ende kritisiert er Ufuk Özbes Analogie der religiös motivierten Realitätsverleugnung: „Eine [Ablehung der Evolutionstheorie] mutet im 21. Jahrhundert in etwa wie die Behauptung an, die Erde sei eine Scheibe“ (Ufuk Özbe)
Der Vergleich sei illigitim, denn: „Schließlich lässt sich die Form der Erde für uns in diesem Moment anhand der Sinne erkennen. Eine angenommene Evolution kann jedoch nicht mehr sinnlich erkannt, sondern lediglich rekonstruiert werden. Dieser Akt der Rekonstruktion jedoch ist interpretativ und abstrakt, nicht beobachtbar.“
Das ist ein Missverstehen des Prinzips wissenschaftlicher Modellbildung. Die Kugelform der Erde ist für den Menschen keineswegs direkt evident gewesen. Im Gegenteil. Ein Blick zum Horizont zeigt: Die Erde sieht genau so, wie es bei einer statischen Erdscheibe zu erwarten wäre. Ich sehe mich als Zentrum eines runden, flachen Flecks Erde. Meine direkte Beobachtung zeigt, dass die Erde stillsteht, während sich die Sonne um sie dreht. (Der naive Schluss unserer evolutionären Vorfahren – der zum Beispiel auch noch in der Bibel und im Koran überliefert werden.) Dennoch war die These einer kugelähnlichen Erde eine verpflichtende Einsicht für jeden vernünftigen Menschen, lange bevor die Raumfahrt uns direkte Bilder gezeigt hat. (Und selbst deren Gültigkeit kann der Verschwörungstheoretiker weiterhin in Abrede stellen.)
Es ist keineswegs direkte Beobachtung, die den Menschen hier aufgeklärt hat, sondern abstrakte Modellbildung und experimentelle Prüfung der daraus ableitbaren Prädiktionen. Auf diese Weise ist auch die gemeinsame Abstammung der Arten durch Evolution bestätigt worden. Die Evidenz für die gemeinsame Abstammung (insbesondere die identischen molekularen Positionen zufällig entstandener genetischer Artefakte entsprechend der gestaffelten Hierarchie taxonomischer Separationsschritte in verwandten Spezies) lässt hier ehrlicherweise keine andere Schlussfolgerung mehr als die überwältigende Wahrscheinlichkeit einer gemeinsamen Abstammung.
Freilich gibt es auch heute Kreationisten, die das bestreiten. Gott hat alle Spezies getrennt erschaffen – aber ihre DNA nachträglich so zurecht manipuliert, dass jeder ehrlich forschende Biologe eine gemeinsame Abstammung schlussfolgern muss. Diese Abstreiten hat jedoch den Charakter einer argumentative Verzweiflungstat: „Herr Richter, ich weiß, dass der Vaterschaftstest mit einer Konfidenz von 99,99999% aussagt, dass ich der Vater sein soll. Aber es wäre auch möglich, dass diese genetischen Gemeinsamkeiten völlig zufällig und unabhängig voneinander entstanden sind.“
Denkmöglich ja – aber so unwahrscheinlich, dass kein ehrlich denkender Mensch diese Option für wahrscheinlicher halten kann, als die direkte Abstammung. Ebenso in der Evolution.
Das aber ist der Kern wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung: Wir entscheiden uns für das plausiblere, wahrscheinlichere, widerspruchsfreiere (und falsifizierbare) Modell.
Meine Frage an Algazel: Wenn nicht die angebotenen Beobachtungen – welche dann? Welche vorstellbaren Beobachtungen (innerhalb der gültigen Naturgesetze) wären ein geeigneter Nachweis für absichtslose, ungeplante Evolution?
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11. Dezember 2016 at 19:53
Zunächst möchte ich mich bei Samuel Dogan für seine sachliche Replik auf meinen Artikel herzlich bedanken.
Jori Wehner hat bereits nicht nur die wesentlichen Kritikpunkte, die ich vorbringen würde, vorweggenommen, sondern auch etliche andere (m.E. stichhaltige) Argumente vorgebracht. Ich bitte daher Jori Wehners Antwort auf Samuel Dogans Kritik zuerst zu lesen. Als Ergänzung/Verschärfung möchte ich ein paar Punkte hinzufügen:
Ich erkenne die terminologische Kritik – bezüglich der Unterscheidung zwischen „fail muhtar“ (Allah erschafft alles so, wie er es will, obwohl auch die Nicht-Schöpfung bzw. eine andere Schöpfung ihm möglich gewesen wäre) einerseits und der Sinnhaftigkeit der Handlungen Gottes andererseits – an. In der Tat richtet sich die Kritik in meinem Artikel gegen die Vorstellung eines frei UND sinnhaft handelnden/erschaffenden Gottes.
Nun werden aber die meisten Muslime nichts mit der Vorstellung eines Gottes anfangen können, der sinnlos und töricht handelt. In der islamischen Theologie gibt es zwar die besagte Debatte. Den Gelehrten, die es verneinen, dass Gottes Handlungen sinnhaft sein müssen, geht es aber in erster Linie um die absolute Macht/Freiheit Gottes, und nicht darum, dass sie die Schöpfung tatsächlich als völlig sinnlos ansehen würden (was Samuel Dogan auch nicht behauptet). Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Schöpfung berührt also durchaus den Kern des islamischen Gottesbildes. Deshalb wird sie ja auch von Samuel Dogan nicht als irrelevant beiseitegeschoben, sondern gegen meine Kritik verteidigt.
Samuel Dogan versucht anhand meiner Beispiele zu zeigen, dass selbst dort, wo ich eine Sinnhaftigkeit bestreite, ein Sinnzusammenhang durch einen entsprechenden Rahmen hergestellt werden kann. Er gibt dabei freimütig zu, dass die von ihm unterstellten Rahmen „letztlich willkürlich“ sind und dass alle erdenklichen Szenarien „wie auch ihre exakten Gegenteile!“ mit einem entsprechenden (letztlich willkürlichen) Rahmen doch als sinnvoll interpretiert werden können.
Bitte lesen Sie den obigen Absatz noch einmal. Ich meine, besser könnte ich nicht begründen, warum die These von der Sinnhaftigkeit ein unhaltbares Dogma ohne eine nachvollziehbare Basis ist. Würde man einsehen, warum eine solche Verteidigung keine vernünftige Argumentation, sondern eine unzulässige Kritikimmunisierung darstellt, mit der man jede mögliche These genauso gut immunisieren könnte, wäre für die Diskussion viel gewonnen.
Ich möchte diesen Denkfehler anhand eines bekannten Beispiels illustrieren. Beim Bogenschießen versuchen die Teilnehmer die Zielscheibe möglichst mittig zu treffen. Nun kommt jemand auf die Idee, zunächst den Pfeil irgendwohin in die leere Wand zu schießen und dann nachträglich die Zielscheibe um den Pfeil herum so zu malen, dass der Pfeil scheinbar genau in die Mitte getroffen hat. Niemand würde anerkennen, dass dies eine statthafte Methode ist.
Genauso argumentiert man aber, wenn man beansprucht, zu jedem erdenklichen Szenario und seinem exakten Gegenteil eine Interpretation finden zu können, woraus sich die Sinnhaftigkeit doch ergibt. Ich für meinen Teil halte nicht dogmatisch an einer Überzeugung fest. Vielmehr versuche ich meine Überzeugungen an die empirisch überprüfbaren Fakten und die daraus sich schlüssig ergebenden Folgen anzupassen. Ich habe Szenarien benannt, bei deren Eintreffen ich eine Sinnhaftigkeit/Zielgerichtetheit durchaus naheliegender gefunden hätte. Mein Diskussionspartner aber hat bereits Überzeugungen, an denen er unbedingt festhalten möchte, und passt die Interpretation der empirischen Fakten, egal wie sie aussehen mögen, an seine Überzeugungen an. Dies ist keine Unterstellung, sondern das, was er selber freimütig sagt.
Dinosaurier und andere Arten haben sich entwickelt und sind ausgestorben, weil Gott uns zeigen wollte, dass er uns genauso auslöschen könnte. Er hat nicht den kürzesten Weg gewählt, weil er uns unsere Sonderstellung bewusst machen wollte. Zu allem wird man selbstverständlich eine Erklärung erfinden können. In meinem Artikel hatte ich ja ausdrücklich geschrieben, dass eine Widerlegung im strengen Sinne ohnehin nicht möglich ist. Allein, mit jeder bemühten Zusatzerklärung wird die Vorstellung eines frei und sinnhaft handelnden Gottes noch unplausibler.
Übrigens wurden zwei meiner Beispiele ausgelassen: Möglicherweise wird man auch noch eine Sinnhaftigkeit dafür konstruieren können, dass in einer Population, die unter den aktuellen Umweltbedingungen stark leidet, nicht nur Mutationen entstehen, die einen Vorteil bringen, sondern noch viel mehr Mutationen, die keinen Vorteil oder sogar einen zusätzlichen Nachteil mit sich bringen (obwohl eine Erklärung der Sinnhaftigkeit bei diesem Beispiel bereits schwieriger ausfallen dürfte).
Eine Erklärung dafür, warum es durchaus sinnhaft und weise ist, dass Gott manche Säuglinge mit (nicht menschenverursachten) Genmutationen auf die Welt kommen lässt, die zu einem elenden, qualvollen, relativ kurzen, schrecklichen Leben führen, wird man, ohne sich zu verbiegen, nicht akzeptieren können. Die übliche Entgegnung hierauf, dass wir als beschränkte Wesen Gottes Weisheit eben nicht vollumfänglich erfassen könnten, ist wiederum kein Argument mehr, sondern eine Immunisierung, mit der man jede erdenkliche These gegen Kritik abschirmen kann.
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11. Dezember 2016 at 21:10
Um das Hauptproblem vorweg zusammenzufassen:
Sie – und auch Özbe im besprochenen Artikel – kritisieren anhand der Evolution ein Gottesbild, welches nicht auf der Evolution oder ihrem Ausbleiben gründet und somit erst recht nicht auf bestimmten Modalitäten derselben, wie etwa „Zielorientiertheit“.
Nun zu folgendem Abschnitt:
„Die Einwände Algazels entsprechen solchen Substitutionen. Die ursprüngliche Frage lautete: „Sind die naturwissenschaftlich gezeigte absichtslosen Evolutionsmechanismen mit der Annahme einer absichtsvollen göttlichen Lenkung vereinbar?“
Samuel Dogan von Algazel beantwortet stattdessen eine völlig andere Frage: „Hat Gott die Lebewesen durch einen mittelbaren oder unmittelbaren Schöpfungsakt erschaffen?“ Damit weicht er der Frage aus.“
Nein, das ist genau die vom Autor angesprochene Frage. Dieser sagte, eine nicht-zielgerichtete Evolution spräche gegen ein theistisches Gottesbild. Ich jedoch sagte, dass das theistische Gottesbild lediglich die Kontingenz der Schöpfung in allen Aspekten voraussetzt, ob der Mensch – welcher wohlbemerkt nur eines von zigmillionen Phänomenen innerhalb dieser Schöpfung ist – nun auf die Weise X oder Y entstanden ist, betrifft dieses Gottesbild in keiner Weise. Um es in einer anderen Weise auszudrücken: Die Existenz des Menschen, ja die Existenz von intelligenten Lebewesen ist – zumindest dem Dasein nach – keine notwendige Bedingung für ein solches Gottesbild, wie also sollte es eine bestimmte Art und Weise des Entstehens dieses Lebewesens sein? Ich hoffe, der Punkt ist klar.
Zu folgendem Abschnitt:
„2. Die Evolution zeigt ein zielloses Umher-Mäandern der Biologie mit etlichen Massenextinktionen. Algazel hat hier nur Rabulistik entgegenzusetzen: „Aha! Aber wer sagt denn, dass Gott die gelenkte Evolution nicht absichtlich ungelenkt hat aussehen lassen!“ Klar. Wenn selbst die Beobachtung von Abichtslosigkeit als Zeichen für Absicht gedeutet werden kann – dann ist die eigene Gewissheit gegen jede neue Erkenntnis immunisiert.“
Von Ihrer naiven Vorstellung des „Zufalls“ und der Problematik des Begriffes „gelenkt“ (welcher Ziele voraussetzt, mehr dazu unten), wie auch darüberhinaus der naiven Annahme, „Absichtslosigkeit“ oder „Absicht“ ließe sich beobachten (auch dazu siehe unten) abgesehen: Genau das ist es. Der theologische Standpunkt kann mit Ihren Ausführungen nicht berührt werden, er ist – wenn Sie das so nennen möchten – „immun“ dagegen. Er ist aber sehr wohl offen für Kritik, jedoch in einer anderen Hinsicht. Denn die verschiedenen Phänomene innerhalb der Schöpfung sind keine notwendige Bedingung für die Annahme eines determinierenden und wirkenden Gottes und sagen nichts darüber aus. Eben das macht die Diskussion und Özbes Artikel so fruchtlos, wie ich ja bereits sagte. Er kritisiert anhand der Evolution ein Gottesbild, welches nicht auf der Evolution oder ihrem Ausbleiben gründet und somit erst recht nicht auf bestimmten Modalitäten dieser, wie etwa „Zielorientiertheit“.
Vllt. wird das anders etwas deutlicher: Die reine Existenz einer dem Verstande nach kontingenten Welt erfordert nach der muslimisch-scholastischen Position – die ja von Özbe angesprochen wird – einen determinierenden und wirkenden Gott, der dementsprechend postuliert wird. Die Folge dieses Postulats ist sodann, dass auch alles innerhalb dieser kontingenten Welt stattfindende, direkt (ašʿarītisch) oder teilweise indirekt (muʿtazilītisch), auf einen wirkenden und determinierenden Gott zurückgeht. Ganz egal, ob das eine „zielorientierte“ oder eine „nicht-zielorientierte“, bzw. „ineffiziente“ oder „zufällige“ Evolution ist; denn alles, was innerhalb der Welt geschieht, ist nach dieser Ansicht kontingent, egal, ob es „zielorientiert“ ist oder nicht. Zum Begriff der Zielorientiertheit werde ich am Ende noch etwas sagen, obwohl das im Artikel bereits erklärt wurde.
Zu folgendem Abschnitt:
„Der Theologe entscheidet realitätsbeschreibende Thesen einfach nach Konformität mit religiöser Dogmatik. Anders gesagt: Durch naives Wunschdenken. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“
Auch das ist nicht richtig, und hier wird es bereits unredlich. Der Unterschied ist der, dass der Theologe keinen künstlichen Rahmen für seine Betrachtungen erstellt – nämlich die bestimmte Entstehungsweise eines bestimmten Phänomens innerhalb der Welt, nämlich die Evolution des Menschen – und hiervon ausgehend eine Aussage über die Welt als Ganzes bzw. den Ursprung der Welt treffen möchte, wie Sie das tun. Der Theologe betrachtet die Welt als Ganzes, kommt hierbei zu einem Schluss und interpretiert konsequenterweise alle partikularen Geschehnisse innerhalb der Welt entsprechend der erschlossenen Grundannahmen. Die Betrachtung des Theologen ist umfassend, Ihre Betrachtung ist willkürlich auf bestimmte Phänomene beschränkt, wobei darüber hinaus in kurioser Weise willkürliche Prämissen (s.u.) angesetzt werden, worauf dann ein Schluss gefolgert wird.
Wir könnten das Problem auch anders formulieren (wo des Weiteren Ihre naive Vorstellung des „Zufalls“ zum Vorschein kommt, der Sie nicht verfallen würden, würden Sie über die Biologie hinausdenken): Entsprechend einem rein physikalistischen Weltbild – welches Sie scheinbar vertreten – ist die Evolution nichts anderes als ein bereits von Anbeginn des Urknalls an determiniertes Ergebnis der vorherrschenden Naturgesetze, wie auch alles andere in dieser Welt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung neuer Ansätze der Quantenphysik; diese ändern nichts daran, dass alles in der Welt geschehene determiniert ist, sie machen lediglich die Vorhersage des Werdegangs für den Menschen – zumindest nach bisherigem Kenntnissstand – nicht möglich. Das heißt, die Entstehung des Menschen in ebendieser Form und auf ebendiesem Wege stand entsprechend einem physikalistischen Weltbild bereits zu Angebinn des Urknalls fest, es konnte gar nicht anders stattfinden, sofern man nicht von einem metaphysischen Einfluss ausgehen möchte, was Sie ja nicht tun.
Der Theologe stellt nun die Frage, warum ebendiese Naturgesetze vorherrschen und nicht andere, wo doch der Verstand andere Möglichkeiten zulässt, und ob diese dem Verstande nach notwendig sind. Hierauf schließt er auf ein determinierendes Prinzip, welches das Dasein der Naturgesetze in ebendieser Weise bedingte (wodurch es sich hierbei nicht mehr um Gesetze im strengen Sinne handelt, was aber hier nicht relevant ist) in dessen Lichte er die Welt sodann interpretiert und zu entsprechenden Schlüssen kommt. Sie dagegen ignorieren diese Frage, nennen das Geschehen in der Welt in aller Naivität einen Zufall, was suggeriert, es hätte auch anders geschehen können – wie gesagt, die Metaphysik stützt sich eben auf diese Möglichkeit, das physikalistische Weltbild dagegen lässt dies nicht zu – und meinen damit ein Indiz gegen ein determinierendes Prinzip begründen zu können, welches die vorherrschenden Gesetzmäßigkeiten unter Ausschluss ihrer indifferenten Gegenstücke festlegte. Dass das ein höchst beschränkter Gedanke ist, der nur in einem künstlich kreierten Argumentationsuniversum funktioniert, sollte Ihnen klar sein.
Nun zu einem der Hauptpunkte: die „Zielorientiertheit“, „Gelenktheit“
Etwas ist dann zielorientiert, wenn ein Ziel vorgegeben ist. Um es mit Ihren schönen Beispielen zu formulieren: Wenn ich nach Berlin fahren möchte, ist das Befahren der Autobahn Richtung Nürnberg nicht zielorientiert; wenn ich aber nach Nürnberg fahren möchte, ist es zielorientiert. Wenn ich nach Berlin fahren möchte, vorher aber einen Freund aus Nürnberg abholen möchte, ist es zielorientiert; wenn ich nach Berlin fahren möchte, mir vorher aber noch Nürnberg ansehen möchte, ist es zielorientiert, etc. (Ziele müssen nicht unkomplex sein, wie Sie sehen)
Wenn Sie nun davon sprechen, die Evolution sei zielorientiert bzw. nicht zielorientiert, welches „Ziel“ setzen Sie da voraus? Ist es das Ziel, schnellstmöglich, ohne Umwege, den Menschen entstehen zu lassen? Dann ist sie natürlich nicht zielorientiert. Doch wie kommt man darauf, eben dieses Ziel als Rahmen vorzugeben? Das ist völlig willkürlich. Des Weiteren: Warum sollte ein Ziel nicht komplex sein, sondern einfach?
Wer sagt überhaupt, dass die muslimische Scholastik von „Zielen“ Gottes ausgeht? Wie gesagt, ein großer Teil der muslimischen Scholastiker – an deren Lehren sich Özbe explizit wendet – bestreitet den Umstand, dass Gott nach Zielen oder Beweggründen handelt, denn Er handele nach reinem Willen, welcher selbst nicht determiniert ist, aber determiniert (das ist natürlich ein Konzept, über das man streiten kann, dazu müssten Sie aber Ihr künstlich konstruiertes Argumentationsuniversum verlassen). „Ziele“, „Weisheiten“, „Pläne“ gibt es auf Grundlage dieser Erkenntnis im absoluten Sinne nicht mehr, es gibt lediglich partikulare Weisheiten und Ziele, die allesamt relativ sind und die nur in bestimmten Rahmen („er möchte nach Berlin fahren“) als solche betrachtet werden können – was ich ja bereits alles im Artikel ausgeführt habe, was scheinbar aber nicht verstanden wurde.
Hinzukommt – da wir ja im Konkreten über den Islam sprechen – dass gerade die muslimischen Textquellen diese banale Vorstellung eines einfachen und absoluten „Zieles“ oder gar „Plans“ nicht hergeben. Der Mensch wird explizit darauf verwiesen, dass es eben nicht nur um ihn geht.
– der Koran fragt: „Ist eure [d.h. die Menschen] Erschaffung denn gewaltiger, oder die der Himmel?“
– er sagt: „Wenn Gott möchte, tauscht Er euch aus und erschafft etwas Neues“)
– er sagt: „Alle Lebewesen sind ebenso wie ihr Gemeinden“
– in der muslimischen Theologie wird diskutiert, ob es andere menschenartige Wesen im Universum gibt
– ja gar ob es andere Universen gibt
– ob es vor dem Menschen bereits vernunftbegabte Wesen gab
– dass bereits vor dem Menschen Gemeinden ausgelöscht wurden, etc. pp.
Wir haben also viele willkürliche Prämissen, die – ob bewusst oder unbewusst – Ihrerseits angelegt werden:
1. Dass es sowas wie absolute Ziele gibt.
2. Dass Gott nach ebensolchen Zielen handelt, bzw. dass dies in der Scholastik angenommen wird.
3. Dass diese Ziele darüber hinaus einfach und nicht komplex sind.
4. Dass es das einfache (im Gegensatz zu komplexe) Ziel Gottes war, ja gar „Gottes Plan“, den Menschen zu erschaffen.
5. Dass dieses Ziel in „kürzestmöglicherweise“ verwirklicht sein muss.
etc. pp.
Hinzukommt die willkürliche Beschränkung auf bestimmte Phänome unter Vernachlässigung übergeordneter Fragestellungen (wie kann man ein biologistisches Weltbild vertreten, ohne dieses zunächst zu begründen? Würden Sie dies versuchen, würden wir schnell zu einer fruchtbaren Diskussion kommen). Und nach diesem fiktiven und willkürlich beschränkten Argumentationsuniversum, das Sie sich erstellt haben, kommen Sie zu Schlüssen, die Sie der Allgemeinheit aufzwängen wollen?
Darum: Wenn Sie eine fruchtbare Diskussion möchten, müssen Sie sich von Ihren künstlichen Argumentationsuniversum lösen.
Zu folgendem Abschnitt:
„Das ist ein Missverstehen des Prinzips wissenschaftlicher Modellbildung.“
Auch hier befinden Sie sich in Ihrer eigenen Argumentationsblase. Ich sagte, im logischen Sinne handelt es sich um zwei kategorisch unterschiedliche Fragen, da die postulierte Evolution des Menschen – einfach, da sie vergangen ist – niemals sinnlich vom Menschen beobachtet werden kann, im Gegensatz zur Form der Erde. Niemand spricht von „wissenschaftlichen Modellen“, deren Maßstäbe – ja, Sie ahnen es – willkürlich festgelegt werden. Solange ich also keine Aussage treffe, die von wissenschaftlichen Modellen handelt, und solange es keine einheitliche Definition von wissenschaftlichen Modellen gibt, können Sie nicht anhand dieser etwas gegen meine Aussage anbringen.
Zum Abschluss wiederhole ich mich nochmals: Wenn diese Diskussion fruchtbar werden soll, müssten Sie schon auf den Ebenen diskutieren, die im Artikel behandelt werden.
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12. Dezember 2016 at 16:52
Lieber Samuel Dogan,
wenn ich Sie richtig verstehe, sieht Ihre Argumentation (im Kern) wie folgt aus:
(1) Zum einen seien die von uns angeführten Gründe nicht hinreichend, um von einer ungelenkten, nicht sinnhaften Evolution zu sprechen. Denn man könne mit entsprechendem Rahmen sehr wohl einen Sinnzusammenhang herstellen.
(2) Zum anderen setze zumindest ein Teil der islamischen Theologie ohnehin keinen sinnhaft handelnden Gott voraus. Selbst wenn die Evolution also nicht zielgerichtet, nicht sinnhaft wäre, so würde das daher nicht gegen den Islam als ganzen sprechen.
Unser Hauptproblem und wohl auch der Grund, warum wir uns (noch) nicht einig werden können, ist, dass Sie es offenbar als eine Stärke einer These ansehen, wenn sie von ihrer Struktur her unkritisierbar ist, wenn sie mit jedem erdenklichen Szenario in völligem Einklang steht.
Das ist aber ein Irrtum. Eine solche These oder Theorie ist völlig inhaltsleer. Damit eine These/Theorie gehaltvoll ist, muss sie einige denkbare Szenarien ausschließen. Es müssen Szenarien angegeben werden können, bei deren Eintreffen die These/Theorie als widerlegt oder zumindest als deutlich unplausibel gelten muss. Ich kann Szenarien angeben, bei deren Eintreffen ich zum Beispiel die Zielgerichtetheit/Sinnhaftigkeit der Evolution anerkennen würde (was ich im Artikel auch gemacht habe). Sie geben aber kein einziges (fiktives, bloß denkbares) Szenario an, das z.B. Ihrer These (1) widersprechen würde.
Das heißt, Sie passen nicht Ihre Überzeugungen an die empirischen Fakten und sich daraus schlüssig ergebende Folgerungen an, sondern umgekehrt: Komme was wolle, passen Sie die Interpretation der Fakten an Ihre unverrückbare Überzeugung an.
Die Existenz Gottes kann man nicht widerlegen, egal welches Gottesbild. Auch die Existenz von Zeus, Thor, den Dschinn etc. kann man nicht widerlegen. Man kann immer die eigene Überzeugung von der Existenz eines dieser Wesen durch Zusatzannahmen „retten“. Man kann jedes Überzeugungssystem in sich widerspruchsfrei hermetisch gegen Kritik abschirmen. Das ist nicht schwer und das geht bei Religionen ebenso wie bei säkularen dogmatischen Ideologien.
Was wir machen können, ist: Zwischen all den angebotenen Thesen/Theorien abwägen, welche angesichts der empirischen Daten plausibler ist, welche These sich in das Faktische besser einfügt. Die Erkenntnisse der Evolutionstheorie widerlegen den theistischen Gottesglauben nicht (habe ich bereits im Artikel so geschrieben), sie machen ihn aber deutlich unplausibler etwa im Vergleich zu der (im Artikel beschriebenen) deistischen Vorstellung eines Gottes, der die Anfangsbedingungen des Universums erschafft, ohne dass der weitere Verlauf in seinem Wissen enthalten ist.
Wenn die Forschung gezeigt hätte, dass Mutationen bei Populationen immer so entstehen, dass sie der Population zugute kommen, wäre eine Zielgerichtetheit, Sinnhaftigkeit etc. plausibler. Aber Fakt ist, die übergroße Mehrheit der Mutationen sind entweder vorteilsfrei oder sogar schädlich. Die Faktenlage deutet also darauf hin, dass hier kein Plan, keine lenkende Intelligenz, keine Zielgerichtetheit, keine Sinnhaftigkeit im Spiel ist.
NATÜRLICH kann man auch hier noch, um den eigenen Standpunkt zu retten, einfach darauf bestehen, dass da schon eine Sinnhaftigkeit und Weisheit drin steckt, oder aber dass Gott eben nicht sinnhaft handeln muss. Aber viel naheliegender, plausibler, vernünftiger wäre es bei dieser Sachlage doch, zum Beispiel den (oben beschriebenen) deistischen Gott anzunehmen.
Möglicherweise sehen Sie die Relevanz dieser Faktenlage auch deshalb nicht, weil Sie vielleicht die wissenschaftliche Evolutionstheorie als solche nicht akzeptieren…
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14. Dezember 2016 at 07:19
Zu erst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Naturwissenschaften/Naturwissenschaftler ihren Bereich verlassen, wenn sie Aussagen über das Metaphysische treffen. Das Metaphysische ist – wie das Wort schon sagt – nicht Inhalt der Physischen Wissenschaften. Jede Diskussion und Aussage über „Sinn“ und „Bedeutung“, über „Zielgerichtetheit“ oder „Zufall“, „Ungelenktheit“ und dergleichen, sind Aussagen welche die Grenzen der Physischen/Materiellen Welt, und somit den Rahmen einer naturwissenschaftlichen Untersuchung sprengen. Sie sind keine Aussagen eines Naturwissenschaftlers in so fern er denn Naturwissenschaftler ist, sondern Interpretationen der von ihm erkannten „harten Fakten“ im Rahmen seiner Weltanschauung/Philosophie/eigenen Theologie. Naturwissenschaften verraten uns effizient wie die Dinge funktionieren/funktionierten – aber nicht das Wieso, Weshalb und Warum. Sie zeigen uns die Kausalketten, können aber die ihr inneliegenden Gründe oder metaphysischen Bedeutungen jenseits der erkennbaren Kette selbst nicht definieren. Gute Naturwissenschaftler sind sich dessen bewusst. Sie wissen, es gab eine Trennung zwischen Philosophen und Naturwissenschaftlern. Gleiches gilt auch für Theologen. Gute Theologen mischen sich nicht in die Erklärung von naturwissenschaftlich erfassbaren Phänomene ein, in so fern sie denn Theologen sind. Sie interpretieren die ihr möglichen inneliegenden Bedeutungen und Implikationen im Rahmen ihrer Weltanschauung.
Wenn wir nun zu dem Thema kommen:
Der von Ihnen angeführte erste Punkt, Herr Özbe, ist eigentlich nicht Thema der Diskussion. Ich versuche es mal wie folgt darzustellen:
A) Um die Angelegenheit besser zu verstehen und zu erfassen, wieso Zufall/Ungelenktheit nicht dem Gottesbild der sunnitischen Theologie widerspricht, müssen erst einige Punkte erklärt werden:
1. Gott muss absolut nichts,
2. Gottes Handlungen sind nicht den Kategorien der Sinnhaftigkeit, der Zweckmäßigkeit und auch nicht der menschlichen Moral unterworfen,
3. Gottes Wissen enthält alle Denkmöglichkeiten, Unmöglichkeiten und Denknotwendigkeiten,
4. Gott erschafft beständig alles im Rahmen der Möglichkeiten zum Ausschluss anderer Möglichkeiten,
5. Gott hält alles im Sein und Er ist der wahre Wirkende womit Kausalketten einzig für uns im sinnlichen Rahmen existent sind, aber nicht in der höheren Seins-Ebene, was bedeutet, die höhere Seins-Ebene wirkt in dieser wahrnehmbaren Welt durch die Kausalkette, ohne dass wir dies begreifen können, da wir keinen empirischen Einblick jenseits der Kausalkette haben,
6. die Rahmenbedingungen dieser Welt, ihre Kausalketten, ihre potenziellen Möglichkeiten, die Naturgesetze, die Konstanten und Variablen sind alle gesetzt von Gott,
7. Gott kann per Definition nicht Objekt der Empirie sein, denn,
8. Gott ist kein Objekt in Raum und Zeit und Zeit ist auf Gott nicht anwendbar.
9. Für ihn sind Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart „zeitgleich“ existent.
B) „Zeus, Thor und Dschinn“ – Wesen, deren Existenz in der wahrnehmbaren Seins-Ebenen mit bestimmten Eigenschaften postuliert werden, können per Definition keine Gottheiten sein. Die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften widersprechen nämlich den notwendigen Eigenschaften einer Gottheit (Zeitlos, Ortlos, Unabhängigkeit, Unbedürftigkeit etc.) Wer an diese Wesen glauben will, darf dies gerne tun. Sie jedoch gleichzusetzen mit dem in der islamischen Theologie behaupteten Gott, ist entweder Unkenntnis dieser Behauptung oder einfache Irreführung.
C) Aus A) und B) ableitend können wir sagen:
Egal welches Ergebnis die Kausalketten liefern, sie sind das Werk Gottes – auf Seiner Seins-Ebene direkt, da er jeden Moment diese im Sein hält und sie erschafft, und für uns insofern indirekt, da auf unserer Seins-Ebene wir mit unseren Sinnesorganen einzig die Kausalketten wahrnehmen. Ein „Lückenfüllergott“ wird hier nicht postuliert, an ihn wird auch gar nicht geglaubt und er wird nicht als notwendig erachtet für die Theologie. Letztlich ist es immer Gott der durch Verwendung von Kausalketten wirkt. Es ist eher unüblich, dass Gott nicht mit Kausalketten wirkt. Daher suchen wir nach ihnen und forschen nach ihnen.
Doch Gott ist nicht Objekt der Zeit und in Seinem Wissen ist alles vorhanden – das heißt, jede potenzielle Möglichkeit. Somit gibt es für Gott keine „Überraschungen“, denn Gott wusste vor der Erschaffung der Welt alle möglichen Resultate die entstehen könnten/werden/nicht-können. Er wusste welche Seite der Münze fällt.
Wenn wir nun die Evolutionstheorie als gegeben annehmen, so kann dies bedeuten, dass Gott die schier endlose Zahl an Möglichkeiten von Kosmen vor der Erschaffung unseres Kosmos kannte und aus allen Möglichkeiten eben unseren erschuf und die Rahmenbedingungen so setzte. Er kannte jeden einzelnen Schritt, den das Setzen dieser Rahmenbedingungen mit sich bringen würde und welche Folgen dies haben würde – jede möglichen, unmöglichen und notwendigen. Er wusste und wollte die über Milliarden Jahre andauernde Entstehung des Menschen, welche gezeichnet ist von Prozessen die höchst „unvorhersehbar“ und „unberechenbar“ waren [für unsere Wahrnehmung]. Wenn wir in diesem Rahmen von Zufall sprechen, können wir das, doch finde ich dieses Wort schon zu sehr mit philosophischem Inhalt beladen. Daher bevorzuge ich von der Unberechenbarkeit und Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse des evolutionären Prozesses zu reden. Diese gelten für die Beobachtung aus der Perspektive unserer physischen Welt. Sie gelten nicht für die Perspektive Gottes. Daher sind Unvorhersehbarkeit, Unwahrscheinlichkeit, Ungelenktheit etc. alle wahr – aus der empirischen Perspektive des Menschen. Doch eben diese Perspektive macht es. Es herrscht also kein inhärenter Widerspruch. Auch die Erklärung, dass Gott in für uns wahrnehmbaren Kausalketten handelt und diese gewöhnlich nicht bricht, erklärt es. Ob man dieses Gottesbild nun deistisch, theistisch oder wie auch immer nennen will, das tut hier nicht viel zur Sache. An diesen Kategorien sich aufzuhängen erscheint mir nicht wirklich nützlich.
Wichtig ist hier auch zu vermerken: Dies ist nicht die bestmöglichste Welt. Gott hätte auch eine ganz andere Welt mit ganz anderen Umständen und Wesen als den Menschen – oder den Menschen unter ganz anderen Umständen erschaffen können.
Was hier wie interpretiert und erklärt wird, ist Frage der Theologien. Es ist ihre Aufgabe, die „harten Fakten“ wenn sie denn solche sind zu erkennen und wenn nötig, sie ihm Rahmen ihrer Überzeugung zu erklären. Sie können ebenfalls ihren eigenen epistemologischen Rahmen schaffen, der sich eben Messen muss mit denen anderer. Das soll nicht bedeuten, dass die Theologien insgesamt über den Fakten stehen. Doch es gibt unterschiedliche Ebenen der Diskussion und nicht z.B. über Geschichte, Entwicklung, etc.
Naturwissenschaftler aber können über Sinn dieser Prozesse und ihren Einklang mit den in den Religionen beschriebenen Göttern nichts sagen, denn diese sind – zumeist – nicht Objekt der Empirie [anders wäre es beispielweise, wenn eine Theologie sagt, Gott wohne auf dem Mond.] Sie dürfen dies, wenn sie denn zugleich auch ausgebildete kompetente Theologen sind und vice versa.
Und ich möchte mich hier bei allen bedanken für diese gesittete Diskussion 🙂
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14. Dezember 2016 at 08:42
Danke für diese Replik lieber mfehmib.
Ihre Abgrenzung der Kompetenzbereiche zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen scheint mir eine unzulässige Abschirmung des eigenen Bereichs zu sein. Einigen wir uns doch darauf, dass wir alle hier nicht als Naturwissenschaftler, nicht als Theologen, sondern in erster Linie als Philosophen miteinander diskutieren (mit möglicherweise unterschiedlichen besonderen Kenntnisbereichen). Wie Popper schon sagte, sind alle Menschen Philosophen; natürlich sind sie nicht alle zwangsläufig gleich gut darin.
Unser Ausgangspunkt unterscheidet sich fundamental:
– Sie setzen (wie auch Herr Samuel Dogan) eine absolute Wahrheit bereits voraus und versuchen argumentativ darzulegen, warum die von uns (ich meine Jori Wehner und mich) geäußerte Kritik diese Wahrheit nicht widerlegen kann. Eine solche Verteidigung ist (wie bereits mehrfach betont) natürlich immer möglich. Nur leider setzen Sie das bereits voraus, was gerade zur Diskussion steht und wofür Sie positive Argumente vorbringen sollten.
– Dagegen ist mein Ausgangspunkt der folgende: Stellen wir uns für einen Moment auf einen möglichst neutralen Standpunkt, so gut es geht. Versuchen wir, gegenüber den eigenen Überzeugungen eine ebenso große Distanz aufzubauen wie gegenüber den Überzeugungen, die wir nicht teilen.
Und fragen wir von diesem Standpunkt aus: „Was ist wahr?“ Vergleichen wir dabei die vielen vielen (von verschiedenen Mythologien, Religionen und Philosophieschulen) angebotenen Antworten auf unsere Frage: Gibt es einen Schöpfergott, der alles (wie Sie sagen) im Einzelnen wissentlich erschafft? Oder ist es nur ein Schöpfergott, der nur die Anfangsbedingungen des Universums erschaffen hat, ohne dass der weitere Verlauf in seinem Wissen enthalten war? Oder gibt es gar keinen personalen Gott und das Universum befindet sich möglicherweise in einem ewigen Kreislauf zwischen Urknall, Expansion, Kollaps, Urknall? Oder gibt es vielleicht zwei Urgründe/Urmächte der Welt, wie es manche alte Religionen vorschlugen? etc. etc.
Wenn wir uns diesen Fragen von einem (möglichst) neutralen Standpunkt aus annähern und dabei intellektuell redlich vorgehen, so müssen wir selbstverständlich in unsere Überlegungen auch die Erkenntnisse der Wissenschaften zumindest einbeziehen. Es wäre doch vermessen zu sagen: „Ich kenne die Antwort bezüglich des Urgrundes der Welt, auch wenn ich über die Welt, wie sie aufgebaut ist und wie sie funktioniert, überhaupt nichts weiß.“
Wenn wir nun all diese Fragen nüchtern vergleichen, so spricht in der Welt nichts für einen Schöpfergott, der das gesamte Naturgeschehen wissentlich (mittelbar durch Naturgesetze oder unmittelbar) schafft. Wie jede andere These auch, kann man natürlich auch diese These verteidigen, komme was wolle. Es gibt aber keine guten, überzeugenden Gründe, gerade diese These gegenüber all den aufgezählten und nicht aufgezählten Alternativen zu bevorzugen. Ganz im Gegenteil: Auf Grundlage dessen, was wir mit guten Gründen über die reale Welt wissen können, ist dies die rational schlechteste These.
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14. Dezember 2016 at 09:05
Lieber Hr. Özbe,
sie setzen ebenfalls eine Wahrheit voraus. Diese besteht darin, dass die Wissenschaft als eine mögliche Erkenntnisquelle herangezogen werden soll um alles Sein zu erklären. Wobei sie das Sein bereits mental auf alles empirisch Erfassbare reduzieren. Leider gibt es keine neutrale Wissenschaft (so sehr man es sich auch wünscht), da alles auf eine Epistemologie aufbaut. Daher machen Sie einen Sprung von „alles neutral als Philosophen betrachten“ zu „das ganze Sein ist nur anhand der Naturgeschehenes zu erklären.“ Die Kategorien in denen man in der Naturwissenschaft denkt, ist demnach, wie man es an Ihrem Beitrag sehen kann, nicht neutral, da man von Anbeginn alles Metaphysische ausklammert. Der Grund warum es für einen Schöpfe keine Belege gäbe und rational die „schlechteste These“ sei, liegt in der Tatsache, dass Sie es aus der naturwissenschaftlichen Weltanschauung heraus beurteilen und nicht einer philosophisch neutralen Sicht, die es de facto nicht gibt.
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14. Dezember 2016 at 09:46
Lieber Herr Chizari,
natürlich gibt es keinen absolut neutralen philosophischen Standpunkt, daher auch meine wohlbedachten Zusätze „möglichst“ und „so gut es geht“. Denn aus der Tatsache, dass absolute Neutralität nicht möglich ist, kann man wohl kaum schließen, dass wir von vornherein eine absolute Wahrheit postulieren sollten. Es gibt nicht nur die zwei Pole entweder „absolute Neutralität“ oder „absolute Voreingenommenheit“. Man kann (sollte) versuchen, so unvoreingenommen wie möglich, an eine Sache heranzugehen.
Wie unvoreingenommen jemand an den Diskussionsgegenstand herangeht, zeigt sich daran, ob er ergebnisoffen argumentiert, selbst wenn er bereits eine Überzeugung hat, oder ob er das Ergebnis IN SEINER ARGUMENTATION bereits voraussetzt.
Dass ich das Sein auf das empirisch Erfassbare reduziert hätte, ist allerdings ein Strohmannargument. Im Gegenteil: Ich habe verschiedene Gottesbilder sowie metaphysische Annahmen anderer Religionen (als Beispiele) zur Auswahl gestellt. Selbstverständlich sollten bei einer aufrichtigen Wahrheitssuche in metaphysischen Fragen realwissenschaftliche Ergebnisse zumindest einbezogen werden (genauso hatte ich mich ausgedrückt). Auch hier gibt es nicht nur die beiden Pole: Entweder „das Sein besteht aus empirisch Erfassbarem“ oder „naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind völlig irrelevant“.
Über den Urgrund des Seins gibt es sehr viele verschiedene Antworten, die im Laufe der Geschichte angeboten wurden. Der personale Gott ist nur einer davon. Und selbst hier gibt es viele unterschiedliche Gottesbilder. Etwa (und darauf kommt es mir hier eigentlich an) der Unterschied, ob der personale Schöpfergott nur die Anfangsbedingungen erschafft, ohne den weiteren Verlauf zu kennen, oder ob er alles wissentlich und willentlich erschafft.
Die meisten der vielen angebotenen Antworten sind denkmöglich. Um vernünftig diskutieren zu können, welche (mit größter Wahrscheinlichkeit) wahr sein könnte, müssen wir selbstverständlich „auch“ unser Wissen über die Welt zumindest einbeziehen.
Im Grunde gibt es einen Test dafür, ob jemand bereits eine absolute Wahrheit (ohne vernünftige Gründe) postuliert hat, oder ob er versucht, ergebnissoffen sich der Wahrheit anzunähern. Leider wurde hierauf bisher von keinem Diskussionspartner eingegangen, obwohl Jori Wehner und ich darauf hingewiesen haben: Ich kann sehr viele Szenarien angeben, bei deren wirklichem Eintreffen, ich den alles wissentlich und willentlich schaffenden Gott plausibler gehalten hätte (einige habe ich mehrfach benannt). Das zeigt, dass ich eben nicht von einem absoluten Postulat ausgehe, sondern versuche, meine Überzeugungen an Einsichten, Argumente, Erkenntnisse etc. anzupassen. Können Sie (rein hypothetische, fiktive) Szenarien benennen, bei denen Sie eben diese These (vom alles wissentlich und willentlich schaffenden Gott) unplausibel gehalten hätten? Oder meinen Sie: „Egal wie die Welt aussieht, meine Überzeugung ist die absolute Wahrheit“?
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14. Dezember 2016 at 16:23
Habe mir nicht alle Beitrage durchgelesen (tl;dr), aber habe den Eindruck das bissl was geklaert werden muss, dabei ist doch alles schon vorhanden – ein Vorteil unserer Zeit ^^
What Does Islam Say About Evolution and the Big Bang? – http://seekershub.org/ans-blog/2016/04/27/13812/
Faith and Creationism vs. Atheism and Evolution – https://www.youtube.com/watch?v=a0-k1zo2n98
Und ganz m.E. ganz besonders (da dies in mehreren Kommentaren auf FB zum Ausdruck kam) – Why Does God Allow Evil – http://www.onereason.org/why-does-god-allow-evil/.
Wir sind nicht die Herren der Welten, um sie nach unserem Gutduenken zu gestalten. Auch wenn unser Nafs es gern haette.. #MidWay
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14. Dezember 2016 at 16:26
habe ich da ein umgedrehtes swastika als icon xDD
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